Fraunhofer Institut, Würzburg

Lurz von Brunn Fraunhofer Institut Aussenansicht

Neubau Technikum III

Bauherr: Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC
Objekt: Neunerplatz 2, 97082 Würzburg
Leistungsphasen: VOF-Verfahren, 2. Platz
Leistungszeitraum: 2008

Persönliche Referenz Philipp Lurz für
GKP Architekten GmbH, Würzburg

 

Leitgedanke

Der Leitgedanke unseres Entwurfes für das Institut für Silicatforschung (ISC) der Fraunhofer-Gesellschaft in Würzburg ist die Transformation des Forschungsschwerpunktes in eine räumliche Form und einen architektonischen Ausdruck.

Das Gebäudekonzept basiert auf dem molekularen Grundkörper des Silicats, dem Tetraeder. Diese SiO4 Tetraederstruktur wird in eine Makrostruktur des Gebäudes umgesetzt.

„Allen Silicatmineralen ist ein gemeinsames Bauprinzip eigen, deshalb lassen sie sich relativ einfach in eine systematische Ordnung bringen. Die Grundbausteine aller Silicate sind SiO4-Tetraeder. Ein Siliciumatom ist dabei von vier Sauerstoffatomen umgeben. Die Sauerstoffatome berühren sich wegen ihrer Größe, in der Mitte bleibt Platz für das relativ kleine Siliciumatom (der freie Raum heißt Tetraederlücke).“ (Quelle: Wikipedia)

Die gläserne, mehrschichtige Außenhaut nimmt Bezug auf die Forschungsschwerpunkte Glas, Keramik und Energietechnik des Instituts. Der äußere Screen übernimmt durch unterschiedliche Beschichtungen und verschiedene Transparenz- bzw. Reflexionseigenschaften die Funktion eines Filters, der neben der Funktion des Sonnenschutzes, Licht in das Innere lenkt und der Energiegewinnung dient.

Städtebauliche Einbindung

Der Neubau gibt dem Forschungsstandort um den Neuner Platz eine neue Adresse. Das Gebäude stellt an dieser markanten Stelle einen eigenständigen Baukörper dar, der der speziellen städtebaulichen Situation gerecht wird und die vorhandene bauliche Struktur ergänzt.

Der neue Hauptzugang des ISC ist mit einem entsprechend gestalteten Vorplatz der Luitpoldstraße zugewandt. Von hieraus betrachtet ist das Sockelgeschoß transparent und einladend gestaltet und der Blick reicht durch die Lobby bis in das Atrium. Ein Rücksprung im Eingangsbereich unterstützt die einladende Wirkung.

Architektonisches Konzept

Der Gebäudeentwurf trägt sowohl dem Anspruch an Offenheit und Kommunikation Rechnung, wird aber auch den komplexen funktionalen Anforderungen gerecht.

Das Laborgebäude ist kompakt organisiert, mit kurzen Wegen und bietet eine hoch-flexible Nutzung  mit unterschiedlichen Labor- und Modulgrößen. Durch großzügige Lufträume werden vertikale Bezüge hergestellt und Tageslicht in das Gebäudeinnere gelenkt; Licht und Überschaubarkeit schaffen für Besucher und Gäste eine transparente und offene Atmosphäre, den Wissenschaftlern bietet sich eine anregende und inspirierende Arbeitsumgebung, die zur Identifikation mit dem Gebäude beiträgt.

Das Gebäude ist Modular aufgebaut. Die wissenschaftlichen Bereiche werden auf insgesamt 4 Ebenen räumlich organisiert. Drei Labormodule sind dabei regelmäßig um einen Kern in Form eines Luftraums angeordnet.

Das zentrale, glasgedeckte, von den Funktionsbereichen umschlossene Atrium, das sich über drei Geschosse erstreckt, fungiert als zentraler Raum für Aufenthalt, Präsentation und Kommunikation. Es beinhaltet zahlreiche, auf die Geschosse verteilte Aufenthalts- und Kommunikationsflächen. Über die Galerien kann ein visueller Kontakt unter den Nutzungseinheiten und zum multifunktional nutzbaren Atrium hergestellt werden.

Eine offene Treppe führt – um Zirkulation und Kommunikation zu fördern – vom Erdgeschoß bis zur obersten Ebene, in der sich sich u.a. der große Konferenzraum befindet.

Vor dem Saal ist ein offener Bereich situiert, von dem man auf die nach Süden orientierte Dachterrasse treten kann. Der Große Konferenzraum bietet einen Blick auf die Weinberge, die Stadt und zur Festung Marienberg.

 

Fassade – Äußeres Erscheinungsbild

Durch die gläserne Außenhaut steht das gesamte Gebäude im Zeichen von Transparenz und Lichtdurchlässigkeit und nimmt Bezug auf den Forschungsschwerpunkt Gläser, Keramik und Energietechnik des Instituts.

Das äußere Erscheinungsbild ergibt sich durch die Überlagerung mehrerer Fassadenschichten. Dieser mehrschichtige Fassadenaufbau verleiht dem Gebäude im Zusammenspiel von Licht, Transparenz und Farbe eine unscharfe, vibrierende Erscheinung. Je nach Lichtstimmung und Lichteinfall variiert das Erscheinungsbild.

Die einzelnen „Layer“ übernehmen dabei unterschiedliche Funktionen.

Die äußerste Haut besteht aus einem Glas-Keramikscreen, der in gewissem Abstand vor die Fassade gehängt wird. Diese Schicht dient als Filter, der die sensiblen Laborbereiche abschirmt, das Tageslicht filtert und die Glasfassade vor direkter Sonneneinstrahlung schützt.

Der Screen übernimmt durch unterschiedliche Beschichtungen und verschiedene Transparenz- bzw. Reflexionseigenschaften neben der Funktion des Sonnenschutzes gleichzeitig die Lichtlenkung des natürlichen Lichtes in die Tiefe der Labore und kann zur Energiegewinnung herangezogen werden.

Die Glas-/Keramikelemente laufen wie Glasfasern um das Gebäude. Die Abstände der Keramikrohre variieren je nach Anforderung des Innenraumes und erzeugen eine helle und freundliche Arbeitsatmosphäre ohne durch zu hohe Lichtintensität die Forschung zu beeinflussen.

Auf Höhe der Geschossdecke und Brüstung sind sie eher dicht, um den Sonnenschutz für das darunterliegende Geschoss zu gewährleisten, auf Höhe der Fenster vor allem auf Augenhöhe etwas weiter.

Je nach Standpunkt und Lichteinfall verändert sich zudem die wahrgenommene Dichte. Von Weitem erscheint der Screen relativ geschlossen, doch bei gewissem Lichteinfall, tritt er stark zurück. Über Beleuchtung kann man die Wirkung steuern.

Der Screen ragt über das eigentliche Gebäudevolumen hinaus und löst sich mit abnehmender Dichte der Röhren zum oberen Gebäudeabschluß hin auf, so dass ein fließender Übergang des Gebäudes mit seiner Umgebung erreicht wird.

Hinter diesem Screen befindet sich im obersten Geschoß über dem Eingang ein Dachgarten.

Der Screen wird farblich abgesetzt, um das Ablösen vom Gebäude zu verstärken. Die Lamellen können je nach gewünschtem Erscheinungsbild farblich variieren.

Bislang gibt es Materialstudien über glasierte Keramikrohre aus Aluminiumsilikat, Steinzeug, Porzellan und Terrakotta.

Im Fassadenzwischenraum befindet sich ein Wartungsbalkon, der eine einfache Wartung und Reinigung der Fassade ermöglicht und als Fluchtbalkon dienen kann.

Die innere Fassadenebene mit massiven Brüstungen und einer großzügigen Verglasung bildet den Raumabschluss der Labore und die primäre, thermische  Gebäudehülle. Die Stahlbetonbrüstungen erhalten eine hinterlüftete Verkleidung, die Verglasung der Labore erfolgt über eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Aluminium-Profilen mit je nach Raumgröße 1-2 Fensterflügeln. In dieser Ebene kann die am Institut mitentwickelte Vakuumverglasung zum Einsatz kommen.

Laborkonzept

Die Grundrissanordnung folgt dem Prinzip der Ausgewogenheit einerseits ökonomisch, rationeller Vorgaben und andererseits einer kreativen und anregenden Arbeitsumgebung.

Jedes Laborgeschosse gliedert sich zunächst in drei Module mit separatem Zugang. Diese können beliebig innerhalb des Laborrasters vergößert und verkleinert werden oder als Großraumlabor genutzt werden. Durch das ineinander hineinwachsen können die einzelnen Forschungsbereiche mit ihrer Raumnutzung flexibel auf sich ändernde Aufgaben reagieren.

Die Standardlaborzone mit vorgelagerten Theoriearbeitsplätzen wird durch eine Filter- bzw. Austauschzone mit Auxiliarräume, in denen sich die notwendigen Serviceeinrichtungen befinden ergänzt.

Ein Labormodul bestehet aus 8 Einheiten mit einem Achsmaß von 3,45 m und einem 1,15 m Raster plus ein Sondermodul am Ende. Innerhalb der Module können so alle verschiedene Laborgrößen realisiert werden, darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine komplette Einheit als Großraumlabor / Technikum zu nutzen.

Die Labore bilden innerhalb ihrer Bereiche ein modulares System mit standardisierten Raumgrößen, was zu einer hohen Flexibilität im Gebäude führt.

Die technische Erschließung der Labore mit Medien und Luft erfolgt über jeweils stirnseitig angeordnete Schächte; in den zur Kernzone orientierten Schächten ist die Elektrounterverteilung integriert. Diese Hauptschächte können je nach Bedarf durch Schächte in der Nebenraumzone ergänzt werden.

Anlieferungsmöglichkeiten sind im Erdgeschoß sowie im ersten Untergeschoß gegeben. Die zentralen Lager befinden sich ebenfalls im Untergeschoß. Im 2.Untergeschoss befindet sich die Tiefgarage. Die Zufahrt erfolgt über eine Anbindung an den Bestand.

Innerhalb des Bürobereichs ermöglichen leichte Trennwände eine schnelle Veränderung der Bürogrößen.

Energiekonzept

Baulichen Voraussetzungen für ein Energieeffizientes Gebäude: Kompaktheit (günstiges A/V-Verhältnis), hoher Dämmstandard (Vakuumverglasung)

Bauteilaktivierung, Lüftung mit WRG, Solarkollektoren, Photovoltaik

Heizung durch Erdsonden, Solare Klimatisierung

Atrium dient als Klimapuffer, ermöglicht natürliche Querlüftung und nächtliche Abkühlung durch Abluftöffnungen im Hallendach.

Das Hallendach wird als eine Art Sheddach-Konstruktion ausgeführt. Die südlich ausgerichteten Bereich erhalten eine Semitransparanz durch integrierte Photovoltaikelemente, die das Licht filtern und eine Sonennschutzfunktion übernehmen.

Hoher Tageslichtanteil durch hohen Glasanteil und Lichtlenkung. Weitestgehend natürliche Belichtung, selbst im Untergeschoß und der Tiefgarage.

Statik

Das Gebäude ist in Stahlbetonskelettbauweise konzipiert. Die Vertikallasten werden über ca. 30 cm starke unterzugslose Flachdecken aus Normalbeton abgetragen, die auf Rundstützen und Wandscheiben im Achsabstand von 6,90 m aufliegen. Bei den Deckenspannweiten sind keine hohen Bewehrungsgrade notwendig, womit ein wirtschaftliches Bauen möglich ist.